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Blienert: Suchtkranken Menschen einfacher helfen

Seit Januar 2022 ist Burkhard Blienert der Beauftragte für Sucht- und Drogenfragen der Bundesregierung. Als Nachfolger der CSU-Politikerin Daniela Ludwig setzt er neue Akzente in der Drogenpolitik. PolizeiDeinPartner.de sprach mit ihm über seine politischen Vorhaben.

Werbeverbot für Tabak, Alkohol und Sportwetten gefordert


Suchtkranken Menschen soll besser und einfacher geholfen werden

© motortion/stock.adobe.com

 

Seit Januar 2022 ist Burkhard Blienert der Beauftragte für Sucht- und Drogenfragen der Bundesregierung. Als Nachfolger der CSU-Politikerin Daniela Ludwig setzt er neue Akzente in der Drogenpolitik. PolizeiDeinPartner.de sprach mit ihm über seine politischen Vorhaben.

Herr Blienert, Sie fordern ein Werbeverbot für Alkohol, Tabak und Glücksspiel. Welchen Effekt versprechen Sie sich davon?

Tabak, Alkohol und auch Sportwetten sind viel zu präsent im öffentlichen Raum. Daran muss sich etwas ändern! Zumindest dort, wo Werbung auch Jugendliche erreicht, müssen wir ihr bei diesen Produkten ganz enge Grenzen setzen. Kaum ein europäisches Land hat einen so freizügigen Umgang mit Alkohol, Tabak und auch Sportwetten. So kann es nicht weitergehen! Wir brauchen mehr Prävention, Jugendschutz, Hilfsangebote und klarere Regeln, um die Menschen zu schützen und Betroffene sowie ihre Familien nicht allein zu lassen. Die Ampelkoalition will dem Sponsoring durch die Tabakindustrie und dem Marketing für Zigaretten, E-Zigaretten und Co. engere Grenzen setzen. Das ist so wichtig, weil wir wissen, dass Werbung gerade von Jugendlichen stark wahrgenommen wird. Wir brauchen dringend ein vollständiges Verbot von Sponsoringmaßnahmen der Tabak- und E-Zigarettenwirtschaft. Es gibt Studien, die ganz klar zeigen, dass Jugendliche, die häufig mit Zigarettenwerbung konfrontiert werden, mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst zur Zigarette greifen als diejenigen, die solche Werbung seltener sehen. Wichtig ist, dass wir jetzt schnell einen Gesetzentwurf auf den Tisch bekommen, der das Ganze ausbuchstabiert; und zwar konsequent. Zigaretten sind ein von A bis Z schädliches Produkt. Es gibt überhaupt keinen sinnvollen Grund, dass im Supermarkt oder an der Tankstelle noch für Zigaretten, Erhitzer und E-Zigaretten geworben werden darf. Ich bin zu allen Punkten mit dem zuständigen Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir bereits in guten Gesprächen.

Sie wollen auch das Mindestalter für das Trinken von Alkohol anheben. Warum ist das nötig und kann das wirklich mehr Kinder und Jugendliche vom Alkoholkonsum abhalten?

Meine Botschaft ist dabei ganz klar: Keine Abgabe, kein Verkauf an unter 18-Jährige! Gerade bei Alkohol ist die Situation paradox. Ab 14 Jahren darf bei uns begleitet getrunken werden, kaufen darf man Wein und Bier ab 16. Von den bestehenden Regelungen geht das falsche Signal aus. Auch das sind Drogen und die gehören nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen. Alkohol ist nicht weniger schädlich, wenn Schülerinnen und Schüler der achten Klasse gemeinsam mit ihren Eltern Alkohol trinken. Gerade junge Menschen schädigt Alkohol massiv. Darum halte ich auch weitere strikte Regulierungen, Werbebeschränkungen und Warnhinweise für Alkohol und Tabak für sinnvoll.

Sie fordern andererseits eine „Kurskorrektur in der Drogenpolitik“. Wie soll diese Kurskorrektur aussehen?

Ich möchte erreichen, dass Sucht und Drogenkonsum endlich keine Tabuthemen mehr sind, dass suchtkranken Menschen besser und vor allem einfacher geholfen wird und sie nicht mehr in die Isolation treiben und ausgrenzen. Wir müssen ehrlich und offen über Sucht, Drogenkonsum und die gesundheitlichen und auch persönlichen Folgen reden. Das Thema Drogen muss raus aus der Tabuecke. Sucht ist eine Krankheit, kein Stigma. Abhängige Menschen brauchen umfassende Hilfe! Der erste Schritt, den ich bei teils schwierigen Debatten gehe, ist, nicht die Substanz in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen, sondern den Menschen. Wenn jemand ein missbräuchliches Konsumverhalten hat, braucht er Hilfe und Unterstützung. Und dabei darf ihn die Gesellschaft nicht alleine lassen. Gesundheitsschutz statt Strafe. Das verstehen viele. Es geht mir auch um einen kulturellen Wandel. Nehmen wir Tabak: Heute ist es selbstverständlich, dass in Restaurants nicht mehr geraucht wird. Früher wurde darum teils heftig gestritten. Hier reicht es natürlich nicht, dass wir im Bund umsteuern. Vielmehr müssen hier Länder, Kommunen, das ganze Gesundheitssystem, Unternehmen, Vereine – sie alle müssen hier mitziehen. Und das Thema Sucht muss in den Ministerien und Senaten der Länder auf der Chefebene angesiedelt werden. Einsparungen bei der Suchtberatung und Anlaufstellen müssen ein absolutes No-Go werden. Wir brauchen flächendeckende Angebote, die die Konsumenten nicht stigmatisieren: Vom Beratungsgespräch über die Suchtprävention in Schulen bis hin zu Drogenkonsumräumen, die Ermöglichung von Substitution und Schlafstätten für obdachlose Abhängige.

Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung

© Sucht- und Drogenbeauftragter/Thomas Ecke

Sie setzen sich für das sogenannte „Drug-Checking“ ein. Was ist das und wie soll das praktisch funktionieren?

Mit der Erlaubnis zum Drug-Checking kommen wir in der Drogenpolitik einen wichtigen Schritt weiter: weg von Strafe, hin zu Schutz und Hilfe! Drug-Checking kann dabei helfen, Menschen vor der Einnahme stark verunreinigter oder zu hoch dosierten Drogen zu schützen, das Bewusstsein für die Risiken des Drogenkonsums zu stärken und den ersten Schritt in die Suchthilfe zu wagen. Wenn Drug-Checking endlich auch in Drogenkonsumräumen als zusätzliches Angebot angeboten wird, können wir mit diesem niedrigschwelligen Angebot auch den Gefahren für schwerstabhängige Menschen ein Stück weit begegnen. Denn man weiß nie, was etwa dem Heroin auf dem Schwarzmarkt alles beigemischt wird. Aber es kann auch in der Party- und Festivalszene helfen, Menschen vom Konsum überdosierter oder verunreinigter Partydrogen wie Ecstasy zu schützen. Beim Drug-Checking können die chemischen Drogen wie etwa Kokain, Heroin, Speed oder auch Chrystal und Fentanyl auf ihre Verunreinigungen getestet werden. Drug-Checking sollte, nachdem der Bundestag nun den Weg dafür freigemacht hat, möglichst in allen Bundesländern angeboten werden. Alle durch die Kontrollen gewonnenen Erkenntnisse werden in ein Frühwarnsystem einfließen, sodass schnell reagiert werden kann, wenn besonders gefährliche Substanzen im Umlauf sind.

Sie fordern auch, mehr „Heroin auf Rezept“ zu verschreiben. Warum – und für wen könnte sich dies positiv auswirken?

Mehr als 80.000 Opioid-abhängige Menschen erhalten in Deutschland eine sogenannte Substitutionsbehandlung. Das sichert ihnen Teilhabe am Leben und kann sie von dreckigem Stoff wegbringen. Das ist gut, aber noch nicht gut genug, wenn wir bedenken, dass wir mindestens doppelt so viele Opioid-abhängige Menschen in Deutschland haben. Wir müssen noch mehr tun, um diese Behandlung direkt bei den Patientinnen und Patienten ankommen zu lassen. Dabei möchte ich die Rolle der Apotheken vor Ort stärken und noch mehr Apothekerinnen und Apotheker für die Substitution gewinnen. Wir brauchen auch noch mehr Ärztinnen und Ärzte, die sich hier engagieren, um den Bedarf vor allem im ländlichen Raum besser abdecken zu können.

Zum Thema Legalisierung von Cannabis liegt jetzt ein Eckpunktepapier für einen Gesetzentwurf vor. Was halten Sie davon?

Mit der anstehenden Reform soll der Cannabisbesitz endlich entkriminalisiert werden. Es gibt durch den legalen Eigenanbau und die Cannabis-Clubs die Möglichkeit, ein sicheres Produkt legal zu erlangen. Kein Erwachsener muss mehr auf dem Schwarzmarkt kaufen. Das ist die wichtigste Botschaft, denn der regulierte Zugang dient vor allem dem Gesundheitsschutz. Die bisherige Verbotspolitik hat die Konsumraten bei Jugendlichen und Erwachsenen nicht zurückgedrängt. Im Gegenteil, die Zahlen sind kontinuierlich in den zurückliegenden Jahren angestiegen. Die Kombination aus Entkriminalisierung, mehr und besserem Jugendschutz und viel, viel mehr Prävention sehe ich als sinnvoll an. Vor allem Jugendliche müssen wir im Umgang mit Drogen stark machen.

WL (30.06.2023)

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