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< „Ein ganz großer Feldversuch“

Drogensucht muss nicht im Gefängnis enden

Arthur Kreuzer, emeritierter Professor für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Universität Gießen, arbeitete als Jugendrichter, veröffentlichte mehr als 300 wissenschaftliche Abhandlungen zu kriminalwissenschaftlichen Themen und wirkt in zahlreichen kriminalpolitischen Beratungs- und Forschungsgremien mit.

Welche Form von Kriminalität üben Drogenabhängige aus?

Das ist vor allem die Beschaffungskriminalität. Dazu zählen Einbrüche zum Beispiel in Apotheken, Rezeptfälschung, Betrug oder auch die Prostitution. Es gibt Abhängige, die halten ihre Kriminalität stark in Grenzen und betreiben nur Kleindealerei. Und es gibt Süchtige, die in der Dealerhierarchie aufsteigen wollen. Diese Motivation lässt sie ihren eigenen Drogenkonsum in den Griff bekommen und steuern, da sie sonst in der Szene nicht mehr ernst genommen werden und die „Bosse“ ihnen nicht mehr vertrauen. Aber auch verstärkte Aggressivität kann ein Problem darstellen, in Abhängigkeit von der Art und Menge der konsumierten Droge. Drogen wie Cannabis oder LSD machen eher selten gewalttätig. Hingegen können Alkohol oder Stimulanzien wie Kokain die Aggressivität steigern.

Häufig finanzieren Diebstähle den Drogenkonsum

© Gina Sanders, fotolia

Welcher Zusammenhang besteht zwischen den gesetzlichen Regelungen und der Kriminalität? Wenn alle Drogen legal wären, würden Drogen doch auch nicht kriminell machen?

Der Grund für das Verbot illegaler Drogen liegt darin, dass der Staat bei diesen Mitteln eine besondere Gefahr für den Menschen sieht. Er möchte seine Bürger daher vor dem Konsum schützen und setzt den Besitz unter Strafe. Es gilt nämlich der Satz: Je leichter eine Droge verfügbar ist, desto stärker wird sie auch konsumiert. Wenn es also das Strafrecht schafft, die Verfügbarkeit einer Droge gering zu halten, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass es zu einem Massenkonsum kommt. Das funktioniert jedoch nicht immer, denn Verbote können wiederum Anreize ausüben. Drogen freizugeben ist dann sinnvoll, wenn sich dadurch die Märkte beruhigen und die Preise gedämpft werden. So wird der Anreiz genommen, mit der illegalen Drogenbeschaffung viel Geld zu verdienen. Auf der anderen Seite hat es natürlich eine gegenteilige Wirkung, da die Droge leichter verfügbar ist. Forderungen nach der Freigabe von Drogen sind problematisch. Das sind schwer erkennbare komplexe Zusammenhänge, die nicht vorhersehbar und somit steuerbar sind.

Zu welch einer Form der Drogenpolitik würden Sie nach Ihren Erfahrungen raten?

Ich kann der Politik nie raten, ein Totalmodell wie in den Vereinigten Staaten zu verfolgen. In Deutschland haben wir daher gut daran getan, in den letzten Jahren eine Drogenpolitik in kleinen Schritten zu machen. Um zu verhindern, dass unsere Gefängnisse wie in den USA fast zur Hälfte mit Drogenabhängigen gefüllt sind, mussten die Strafen gegen Konsumenten und Abhängige herabgestuft und mit Therapien verbunden werden. Strafe fungiert somit nur als Druckmittel, sich einer Therapie zu unterziehen. Das war ein sinnvoller, aber vorsichtiger Ansatz in der deutschen Gesetzgebung. Wenn es schief gegangen wäre, dann hätte man wieder gegensteuern können. Bei Cannabis zum Beispiel hat man sich in Deutschland gegen eine völlige Freigabe, aber für ein sehr moderates Vorgehen entschieden. Der bloße Konsum, also der Erwerb von kleinen Mengen, wird nicht bestraft. Der Strafrechtsansatz an sich wurde aber beibehalten. Ich habe immer vorgeschlagen, den Besitz kleiner Mengen als Ordnungswidrigkeit einzustufen, aber so, dass es rechtswidrig ist. Dann kann die Polizei nämlich eine Personenkontrolle durchführen, um zu überprüfen, ob es sich um einen Drogenhändler handelt und dann gegen ihn vorgehen. Letztlich sollte das Strafrecht moderat eingesetzt werden, damit es nicht kontraproduktiv wirkt und neue Kriminalität schafft und den sozialen Abstieg forciert, sondern Chancen zulässt. Außerdem sollten die Verfolgungsstrategien so ausgelegt sein, dass die Hintermänner stärker erfasst werden. Das steigert zwar nicht die absolute Zahl der Verurteilungen, führt aber zu einem größeren Erfolg in der Drogenpolitik: Die Verfügbarkeit der Drogen wird reduziert.

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